Dr. Volkmar Reschke, FA für Kinderheilkunde – Jugendmedizin
Meinen zweiten Einsatz in Nairobi hatte ich erstmalig im April 2009 neu eröffneten Cargo Human Care Medical Centre. Bereits im März 2009 hatte ich während meines ersten Einsatzes Gelegenheit die neue „CHC-Ambulanz“ zu besichtigen. Begleitet wurde ich diesmal von Herrn Dr. Ekkehard Pilz, Facharzt für Allgemeinmedizin, der bereits in der Vergangenheit für einige humanitäre Projekte in Kriegs- und Krisengebieten anderer Organisationen eingesetzt war.
Nach einem Nachtflug landeten wir nach ca. 7,5 Stunden Flugzeit auf dem Kenyatta Airport Nairobis. Mit „unserer“ netten Crew fuhren wir zunächst in die Innenstadt. Dort verabschiedeten wir uns und fuhren weiter zum Einwanderungsbüro in die moderne City Nairobis. Dort versuchten wir ein Verlängerungsvisum für insgesamt zwei Jahre zu erhalten. Zwei Tage später erhielten wir durch die zuständige afrikanische Behörde den gewünschten Stempel im Reisepass, der uns bei zukünftigen Einsätzen die immer wieder anfallenden Visa-Gebühren ersparen wird.
Nach dem organisatorischen Part ging es mit unserem Taxifahrer Martin weiter in den Kentmere Club, der ländlichen Unterkunft, die nur ca. eine Viertelstunde von der Ambulanz entfernt ist. Aufgrund des herrschenden Winters in Kenia war der Himmel tiefgrau und die Temperaturen besonders am Morgen und abends mit teilweise deutlich unter 10°C kühl.
Kurz vor 14:00 Uhr lokaler Zeit trafen wir an unserem Zielort ein. In dem überdachten Wartesaal warteten schon einige Dutzend Patienten auf Ihre Behandlung. Vor dem Start der „Afrikasprechstunde“ wurden wir von den Mitarbeiterinnen der CHC-Ambulanz sehr herzlich begrüßt. Nach einer kurzen Vorbesprechung mit Nelly, der „Senior-Nurse“, und behandelten wir getrennt in zwei Zimmern unsere Patienten. Die jeweils anwesende Krankenschwester half uns dabei die Sprachbarriere mittels Übersetzung vom Englischen in Kisuaheli. Oft konnten die Patienten Ihre Beschwerden auch gut selbst in Englisch ausdrücken. Beeindruckend war die „Dispensary“. Die Medikamente der kleinen Apotheke waren in den hier vorgesehenen Regalen übersichtlich deponiert. Das Spektrum der verfügbaren Medikamente war breit gefächert und ließ keinen Mangel erkennen.
Die von Dr. Matthias Gründler, meinem kinderärztlichen Kollegen, angelegte Liste aller verfügbaren Medikamente, erleichterte die Arbeit vor Ort sehr.
Wie bereits bei meinem Einsatz im Frühjahr hatten viele der mir vorgestellten Säuglinge, Kinder und Jugendliche teilweise erhebliche Gedeihstörungen durch einseitige oder Mangelernährung. Besonders eindrücklich war ein 6 Monate alter Säugling, dessen aktuelles Gewicht nur 300 Gramm über seinem ehemals normalen Geburtsgewicht lag. Dem voraus gingen mehrere fieberhafte Infekte, die zu dieser besonders schweren Form eines so genannten Marasmus geführt hatten. Mehrere Patienten litten unter den Folgen einer überstandenen Hirnhautentzündung, die wenn sie überlebt wird zu schweren geistigen und körperlichen Entwicklungsverzögerungen führt.
Besonders oft wurden Patienten mit fortgeschrittenen Infektionen der unteren Atemwege, Lungenentzündungen, bakteriellen und parasitären Hautinfektionen vorgestellt. Sehr berührend war die Begegnung mit einer Mutter, deren 20 Monate altes Kind durch anhaltende Durchfälle und Erbrechen eine erhebliche Gedeihstörung aufwies. Für mich war es sehr bewegend, der Mutter mitzuteilen, dass der mit Ihrer Einwilligung durchgeführte HIV-Test sowohl bei Ihr als auch Ihrem Kind positiv war. Mit Unterstützung von Schwester Nelly konnte der Mutter die Krankheit, und deren soziale Auswirkungen aber auch die Behandlungsmöglichkeiten erläutert werden. Es hat mich sehr betroffen gemacht, wie traurig und voller Sorge die Mutter die Krankheit Ihres Kindes und Ihre eigene Lebensperspektive sah.
Nach drei Tagen Ambulanz zeigten uns Charles sowie Christopher, die Betreuer der Waisenkinder des benachbarten Mothers´s Mercy Homes, die im Dezember 2008 neu bezogenen Unterkünfte. Am Dienstagabend sahen wir die Kinder gegen 17:00 Uhr bei Ihrer Rückkehr. Nach einem langen Schultag, der nach dem Aufstehen um 05:00 Uhr beginnt, sind die Kinder ganztags in verschiedenen Schulen betreut, zu denen sie mit dem eigens existierenden Schulbus transportiert werden. Die von Ihrem Schultag müde wirkenden Kinder freuten sich auf die bevorstehenden „Winterferien“. Ich hatte den Eindruck, dass die Kinder im „MMH“ ein gutes Zuhause gefunden haben.
Oft gab es eindrucksvolle Begegnungen mit den Menschen, mit denen wir zusammen arbeiteten und den Patienten, die unsere ärztliche Hilfe in Anspruch nahmen. Die Zusammenarbeit mit den Schwestern war rückblickend konstruktiv und gegenseitig wertschätzend.
Nach dreitägiger Ambulanztätigkeit im Cargo Human Care Medical Center hatte ich rückblickend ein gutes „Gefühl“ bezüglich der Arbeit, die dort von dem einheimischen Personal sowie den ärztlichen Kolleginnen und Kollegen geleistet wird.
Dr. Volkmar Reschke
August 2009