ein Bericht aus dem „Cargo Forewarder Global“
Die Aktionsliste von Cargo Human Care (CHC) ist lang – und wird immer länger.
Seit der Gründung vor 15 Jahren liegt der Schwerpunkt auf der Betreuung von Waisenkindern in eigenen Unterkünften am Stadtrand von Nairobi, einschließlich ihrer Schulbildung.
Gleiches gilt für die medizinische Versorgung der Bewohner der CHC-Einrichtungen. Vor kurzem hat CHC im trockenen Norden Kenias Brunnen bohren lassen, um die Einheimischen dort mit Wasser zu versorgen. Der Bau von zwei Schulen, in denen mittlerweile 365 Kinder unterrichtet werden, und Hilfslieferungen in die Ukraine runden das Angebot ab. Für Gründer Fokko Doyen ist CHC zum Lebenswerk geworden Dr. Michael Otto fliegt regelmäßig nach Nairobi, um Menschen in Not medizinisch zu versorgen
Aktive Rentner
Er könnte ein ruhiges Leben genießen: Reisen, Lesen, Faulenzen, Radtouren mit seiner Frau Franka. Das tut er auch, aber nur manchmal. Die meiste Zeit steht er für CHC an der Startlinie, von morgens bis abends. Er ist Fokko Doyen, der ehemalige Flottenmanager der MD-11-Frachter von Lufthansa Cargo. Die dreistrahligen Flugzeuge wurden inzwischen alle ausgemustert. Fokko auch. Im Dezember 2020 ging er in den Ruhestand. Gleiches gilt für Michael Otto, einen Arzt aus Lüneburg bei Hamburg. Er ist auch gerade in Rente gegangen. Seit Jahren fliegt er jedoch regelmäßig nach Kenia, um sich um Patienten zu kümmern, die in der Nähe der CHC-Einrichtungen leben und medizinische Hilfe benötigen. Er ist einer von 46 deutschen Ärzten, die dies ebenfalls tun – kostenlos und aus altruistischen Gründen.
Die medizinische Versorgung der Bewohner von CHC-Einrichtungen ist das Flaggschiff des CHC. Sie erhöht die Akzeptanz des gesamten Projekts, zum Beispiel mit seinem Kooperationspartner, der Anglikanischen Kirche, und knüpft weit in die kenianische Gesellschaft hinein. Wir sprachen mit dem Spezialisten Dr. Michael Otto (M.O.) und dem CHC-Chef Fokko Doyen (F.D.) über dieses wichtige, aber nicht oft kommunizierte Tätigkeitsfeld.
Interview
- CFG: Michael, du fliegst seit Jahren von Hamburg nach Nairobi, meist einmal im Quartal, um Krankheiten zu diagnostizieren und Patienten im CHC Medical Center zu behandeln. Was sind statistisch gesehen die häufigsten gesundheitlichen Beschwerden der Menschen vor Ort?
- M.O.: Das ist sehr unterschiedlich. Oft sind es Verletzungen, die Menschen bei der Arbeit erlitten haben. Wir diagnostizieren auch häufig HIV- oder TB-Infektionen. Andere Anomalien sind aus medizinischer Sicht Bluthochdruck, Gelenkschmerzen oder Typ-2-Diabetes. Frauen klagen oft über Folgeverletzungen nach der Geburt. Dies liegt daran, dass die meisten Frauen zu Hause ohne medizinische Unterstützung gebären. Durchfallerkrankungen bei Kindern sind ebenfalls ein großes Problem. Im Gegensatz dazu sind Bilharziose, Malaria und Lepra selten.
- CFG: Wie kommunizieren Sie mit den Patienten, weil sie wahrscheinlich wenig Englisch und kein Deutsch sprechen?
- M.O.: Wir haben im Medical Center hervorragend lokales medizinisches Personal ausgebildet, das uns hervorragend professionell unterstützt und dessen Muttersprache Swahili ist, genau wie die der Patienten. Nach vielen Jahren der Arbeit für CHC kann ich sagen, dass im Laufe der Zeit die professionelle Zusammenarbeit zwischen uns Ärzten und den Mitarbeitern des Medizinischen Zentrums auch in Bezug auf die Kommunikation – zum Wohle der Menschen – hervorragend geworden ist.
Kostenlose Dienstleistungen haben keinen Wert
- CFG: Trotz aller Bemühungen und der guten Ausstattung im Medical Center gibt es medizinische Grenzen. Zum Beispiel bei notwendigen Operationen. Was passiert in solchen Fällen?
- M.O.: Patienten mit akuten Problemen werden zunächst im Detail untersucht. Wir haben ein sehr effizientes Labor, in dem wir schnell die Art der Krankheit und möglicherweise die Schwere der Symptome bestimmen können. Bei unvermeidbaren Operationen kooperieren wir mit dem staatlichen Nazareth Hospital in Nairobi, das auch die Kosten übernimmt. Die staatliche Versicherungsgesellschaft NHIF deckt bis zu 80% des Gesamtbetrags der Behandlung ab. In besonders schweren Fällen unterstützt Cargo Human Care den Patienten finanziell, indem sie eine Patenschaft von Mitgliedern des Vereins vermittelt, zum Beispiel zum Zwecke der Anschaffung einer passenden Prothese.
- CFG: Was müssen Patienten für die Behandlung im Medical Center bezahlen?
- M.O.: Wir nehmen einen symbolischen Betrag, weil alles, was frei ist, in den Augen der Kenianer keinen Wert hat.
- CFG: Wann ist Ihr nächster Einsatz in Nairobi?
- M.O.: Ich war erst vor kurzem dort und habe bereits eine Woche im Oktober in meinem Zeitplan blockiert.
Breites Spektrum an medizinischen Dienstleistungen
- CFG: Nun zu Ihnen, Fokko, und der Frage, welche Rolle das Medical Center bei der Akzeptanz von CHC durch die ansässige Gemeinschaft spielt?
- F.D.: Es ist enorm wichtig. Das haben wir bereits ein Jahr nach dem Start-up im Jahr 2010 gesehen. Die Nachfrage war so groß, dass wir expandieren mussten. Wir haben die Anzahl der Behandlungsräume von 2 auf 4 verdoppelt, die Apotheke deutlich vergrößert und ein eigenes Labor für diagnostische Zwecke eingerichtet, wie Michael gerade erklärt hat. Im vergangenen Jahr wurden 32.000 Erwachsene medizinisch behandelt. So gab es im vergangenen April weit über 3.000 Patienten. Das Verhältnis von Frauen zu Männern beträgt etwa 70 zu 30.
- CFG: Woher wissen Assistenzärzte, wann zum Beispiel ein Orthopäde, Allgemeinmediziner, Gynäkologe oder Augenarzt vorübergehend seine oder – im Falle von Ärztinnen – ihre Dienste im Medical Center anbietet?
- F.D.: Es wird durch Aushänge angekündigt, also ist es sehr transparent. Die Leute tragen sich vorher in Listen ein, kommen früh am Morgen zu ihrem Termin und warten geduldig, bis sie an der Reihe sind. Bei Bedarf bis zum späten Nachmittag. Trotz manchmal langer Wartezeiten sind sie sehr dankbar, hier von hochqualifizierten lokalen Mitarbeitern und deutschen Spezialisten behandelt zu werden. Meistens kommen Bewohner, die sich den Arzt normalerweise nicht leisten können. Leider trifft der Satz immer noch zu. „Wenn du in Afrika krank wirst und kein Geld hast, musst du sterben!“ Dem wollen wir mit unserem medizinischen Angebot etwas entgegensetzen.
- CFG: Warum fliegen 46 deutsche Ärzte mehrmals im Jahr nach Nairobi und betreuen dort unentgeltlich Patienten?
- F.D.: Hauptsächlich aus humanitären Gründen. Vielleicht auch, weil sie sich eine Auszeit vom Alltag wünschen und unser CHC-Projekt als besonders förderungswürdig ansehen, von dem sie sich als Teil verstehen. Es gibt nicht einen Grund, sondern viele und sehr subjektive Gründe. Die meisten Ärzte sind auch Paten eines Pflegekindes.
Ein Kind ohne Bildung ist ein verlorenes Kind
- CFG: Muss es die Reisekosten aus eigener Tasche bezahlen?
- F.D.: Nein, sie erhalten kostenlose Flüge von Lufthansa Cargo. Die Lufthansa-Cargo-Tochter unterstützt uns massiv vom Vorstand bis hin zu den Vorfeldmitarbeitern. Vorbildlich. Als Organisation schulden wir dem Unternehmen große Dankbarkeit. Ohne die Unterstützung der Fluggesellschaft wäre das gesamte Projekt nicht realisierbar.
- CFG: Sie haben auch zwei Schulen gebaut…
- F.D.: … die wir auch pflegen. Mittlerweile werden dort 365 Kinder und Jugendliche unterrichtet. Getreu dem Motto des ehemaligen US-Präsidenten John F. Kennedy: „Ein Kind, ohne Bildung ist ein verlorenes Kind!“
- CFG: CHC kooperiert mit der Anglikanischen Kirche in Kenia. Wie läuft die Zusammenarbeit?
- F.D.: Es ist der Sponsor des Mothers‘ Mercy Home und beider Schulen (Happy Child School in Nairobi und Wings Academy in Marsabit). Welche Waisenkinder wir im Mothers‘ Mercy Home betreuen und in unsere Obhut aufnehmen können, entscheidet letztlich die Kirche. Wir versuchen immer, ein 50/50-Verhältnis von Mädchen zu Jungen zu erreichen. Die Kirche und ihr Bischof unterstützen auch das Medical Center, das Ihnen aus der Bevölkerung Anerkennung bringt. Diese Zusammenarbeit ist für uns als ausländische NGO sehr wichtig, da sie uns einige Türen öffnet. Ohne einen Partner vor Ort geht das nicht – aber wie bei jeder Kooperation gibt es noch Raum für Optimierungen.
- CFG: … und mit der Politik?
- F.D.: Die Kontakte sind da, aber es ist uns noch nicht gelungen, die Kosten für die Visa oder die Arbeitserlaubnis für die Ärzte erlassen zu bekommen. Dies wäre ein Signal der Wertschätzung unserer Arbeit durch die Regierung.
Heiner Siegmund
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