1. Einsatz von Dr. Michael Otto, Facharzt für Allgemeinmedizin, vom 05. – 08.10.2009 im Cargo Human Care Medical Centre
Schneller als erwartet kam ich zu meinem ersten Einsatz in unserem Medical Centre in Nairobi. Eigentlich war ich erst für einen Einsatz in 2010 vorgesehen, dann fiel aber ein Kollege aus und ich durfte einspringen. Aber der Reihe nach.
Am Abend des 4.10.09 traf ich die liebenswerte Kollegin Jutta Leuser am Frankfurter Flughafen. Sie schleuste mich mit bis nach Kelsterbach. Jutta ist Nairobi erfahren und damit hatte sie mir einiges voraus. Wir durchliefen die üblichen Kontrollen, bevor wir dann die mächtige MD-11 besteigen durften. Auch für einen ehemaligen Flugbegleiter wie mich ist dies immer wieder ein besonderer Moment.
Nachdem wir die Pass- und Zollkontrolle nach Ankunft in Nairobi hinter uns gelassen hatten, ging es durch das morgendliche Verkehrschaos Richtung Zentrum, wo uns schon Henry, unser Fahrer, erwartete. Nach einer herzlichen Verabschiedung von der Crew brachte Henry uns zunächst in ein Casino. Natürlich sollten wir nicht spielen, sondern Geld wechseln. Der Wechselkurs war super. Anschließend ging es kompetent und unter Hinweis auf die Sehenswürdigkeiten durch Nairobi und raus aus der Stadt. Inzwischen fühlte ich mich Afrika schon etwas näher, eine Stadt ist eben doch nur eine Stadt, egal auf welchem Kontinent, überall Verkehrschaos. Auffallend war sofort die kupferrote Erde, ganz anders als in der norddeutschen Tiefebene, wo sie schwarz ist.
Im Kentmere Club, unserer Bleibe, angekommen, wechselten wir die Klamotten und weiter ging es über eine abenteuerliche Straße und durch Teeplantagen zum Medical Centre. Dort warteten bereits die ersten Patienten auf uns wie auch das gesamte Team. Wir wurden überaus herzlich empfangen. Man hatte gleich das Gefühl hier zu Hause zu sein, kein fremdeln, einfach nett!! So hatte ich es mir gewünscht. Nach einer kurzen gegenseitigen Vorstellung und Einführung in die Örtlichkeit bekamen wir Mittag – Bohnen, Kartoffeln, Reis und etwas Grünzeug, vielleicht Mangold? Es war gut aber leider nicht gesalzen. Ein Tütchen Salz oder vielleicht einen Salzstreuer sollte man sich mitnehmen, wenn man es etwas würziger mag.
Nachdem wir uns gestärkt hatten, gab es noch einen Kaffee. Ich trinke ihn ohne Zucker, was bei den Schwestern immer Anlass zum Schmunzeln war. Ich weiß bis jetzt nicht warum?
Die Praxis ist zweckmäßig eingerichtet, natürlich nicht mit unseren vergleichbar aber für dortige Verhältnisse top. Mal ehrlich, sahen die Praxen unserer Vorgänger nicht ähnlich oder viel weniger gut aus? Ist der Aufwand, den wir treiben und treiben müssen, wirklich nötig? Ich war sehr zufrieden, es ließ sich vortrefflich arbeiten. Leider hatten wir fast nie Strom, es ging aber auch so. Daran wird gearbeitet, wie ich gelesen habe. Die Schwestern waren klasse, sehr kompetent und hilfsbereit, ich würde sie sofort bei mir einstellen. Was die Erkrankungen der Patienten anging, unterschieden diese sich nicht wesentlich von den Erkrankungen meiner Patienten. Es kamen viele ältere Menschen mit degenerativen Erkrankungen und entsprechenden Schmerzen, Kinder mit Infektionen, Erkältungen, Durchfälle, eigentlich nichts wirklich typisch tropisches und dennoch war es anders als bei uns. Es wurde einem schnell bewusst, wie wenig man für die Patienten im Vergleich zu Deutschland tun kann. Dennoch sind sie für das Wenige äußerst dankbar, ganz im Gegensatz zu vielen unserer Patienten in Deutschland. Besonders ist mir ein geistig und körperlich schwerstbehinderter Junge in Erinnerung geblieben. Seine Mutter und seine Oma stellten ihn mir vor und wollten vom „ Doktor aus Deutschland“ wissen, ob man denn wirklich nichts für den Sohn tun könne, wie man es ihnen wohl schon in Kenia gesagt hatte. Leider musste ich dem zustimmen. Der bedauernswerte Junge stand mit herzergreifendem Blick vor mir und ich konnte ihm nicht helfen. Das geht einem schon nahe. Dennoch bedankte sich die Mutter und sagte, wie ganz viele der Patienten – thank you, God bless you. Mein Gott, wie muss es den Menschen gehen, wenn sie sich für nichts oder wenig bedanken. Diese Erfahrung macht einen demütig und zufrieden zugleich, zufrieden mit den so viel besseren Lebensbedingungen, wie wir sie haben. Das ist auch das Wesentliche, das ich mit nach Hause genommen habe, neben den vielen anderen überwiegend netten Erlebnissen.
Am Mittwoch endete unser Einsatz, natürlich nicht ohne auf dem Fruchtmarkt gewesen zu sein. Schließlich landeten wir im Serena Hotel, wo ich kurz vor der Abfahrt vor dem Hoteleingang Kofi Annan, den ehemaligen UN-Generalsekretär kennenlernte. Er verließ das Hotel nach einer Konferenz. Ich sprach ihn einfach an, er erwiderte meine Ansprache und wir unterhielten uns für einige Minuten, sehr zum Leidwesen seiner Leibwächter. Natürlich habe ich ihm von CHC berichtet, was er erfreut zur Kenntnis nahm. So endete der Tag in jeder Hinsicht positiv. Der Rückflug war ein Vergnügen und der nächste Tag in der eigenen Praxis auch. Ich freue mich schon auf den nächsten Einsatz, die lieben Schwestern und die Patienten.
Michael Otto