Einsatzbericht 06.06. – 10.06.2010 im Medical Center des SOS-Kinderdorfes, Buru Buru Slum Nairobi
Mein vierter Einsatz in Nairobi begann am 05.06.2010 um Mitternacht. Ich traf meinen Kollegen Dr. Bernd Wolters, Facharzt für Hals-Nasen-Ohren-Erkrankungen, aus Wiesbaden, am Cargo- Flughafen in Frankfurt Kelsterbach. Für meinen Kollegen Dr. Wolters war es bereits der sechste Einsatz in Nairobi.
Gegen 01.55 starteten wir mit dem MD11-Frachter mit Ziel Nairobi. Nach einem anstrengenden Nachtflug landeten wir pünktlich nach ca. 7,5 Stunden Flugzeit gegen 11:00 Uhr Ortszeit in Nairobi.
Den freien Sonntagnachmittag nutzten wir, um zu dem ca. zwei Stunden nordwestlich von Nairobi gelegenen Lake Naivasha zu fahren. Wir passierten das Rift Valley und hatten einen wunderschönen Blick in die nach der Regenzeit üppig grüne afrikanische Landschaft.
Auf der ca. zweistündigen Rückfahrt durch das Hinterland fuhren wir am Cargo Human Care Medical Center vorbei, um wichtiges medizinisches Gerät abzuholen, welches von meinem Kollegen am nächsten Tag für die HNO-ärztliche Sprechstunde benötigt wurde. Dabei hatten wir die kurze Gelegenheit, das benachbarte Mothers Mercy Home Waisenhaus zu besuchen. Die in Begleitung einer Erzieherin beim Abendessen sitzenden Kinder, begrüßten uns lachend. Bei dieser Begegnung stellte sich bei mir wieder das Gefühl ein, an einem äußerst sinnvollen und schönen Gemeinschaftsprojekt Anteil nehmen zu dürfen. Bereits jetzt freue ich mich auf meinen Einsatz im Medical Center des Mother´s Mercy Homes im Dezember!
Mittlerweile hatte ein heftiger tropischer Regen eingesetzt, der das Fahren auf den roten Lehmstraßen sehr anspruchsvoll werden ließ. Wir passierten ein Fahrzeug, das samt Fahrer in ein tiefes Loch gerutscht war. Der Pickup war bis ins Fahrerhaus mit Wasser geflutet! Da bereits etliche Hilfskräfte vor Ort waren, und die Dunkelheit nahte, setzten wir unsere Fahrt aus Sicherheitsgründen fort.
Am nächsten Morgen wurden wir durch unseren allzeit freundlichen und äußerst zuverlässigen Fahrer Henry durch den lebhaften Großstadtverkehr Nairobis zu unserem Einsatzort, dem SOS-Medical Center im Buru-Buru Slum in Nairobi, gebracht. Durch die üppige Vegetation vor den Toren Nairobis fehlten diesmal die Massai-Hirten mit Ihrem Vieh in der Stadt.
Der erste Ambulanztag verlief etwas schleppend, da die Bewohner des Buru Buru Slums offensichtlich unzureichend von der sogenannten „Free Clinic“, unserer kostenfreien Sprechstunde informiert worden waren. Die „Nurses“ des SOS-Medical Centers sowie der afrikanische Kollege vor Ort, Dr. George, begrüßten uns freundlich. Dr. Bernd Wolters und mir wurde jeweils ein Raum zur Behandlung unserer afrikanischen Patienten zugewiesen. Um die Kommunikation vom Englischen in Suaheli zu ermöglichen, erhielten wir Unterstützung durch das afrikanische Personal. Ich arbeitete mit Margreth zusammen, die als Volontärin im SOS-Kinderdorf die Bedürfnisse der Patienten und meine Empfehlungen in die Landessprache Suaheli übersetzte. Ohne die Unterstützung des afrikanischen Personals wären Bernd und ich schon an der Sprachbarriere gescheitert!
Am zweiten Tag hatte sich die Ankunft zweier deutscher Ärzte in der zugehörigen Community von Buru Buru herumgesprochen. Wir hatten alle Hände voll zu tun, um alle Patienten zu versorgen.
Insgesamt behandelten Dr. Bernd Wolters und ich 174 Patienten. Davon waren 88 pädiatrische Patienten. Die übrigen Patienten wurden in der HNO-Sprechstunde des Kollegen versorgt. Die Kinder, die mir vorgestellt wurden, hatten gehäuft schwere Erkrankungen der Atemwege wie Bronchitis oder eine Lungenentzündung. Es gab enorm viele Kinder und Jugendliche, die unter unterschiedlichen parasitären Hauterkrankungen litten, die sich nicht selten infiziert hatten. Ein junger Säugling musste aufgrund eines großen Abszesses chirurgisch behandelt werden. Es gab einige Malariaverdachtsfälle, Kinder mit TBC und HIV-Infektionen, die die Sprechstunde aufsuchten. Bedrückend war die Anzahl von sehr jungen Kindern, die an einer Gedeihstörung als Folge einer Mangel- oder Fehlernährung litten. Ein Kind war so schwer unterernährt, dass es einige Zeit in Anspruch nahm, der Mutter mit Hilfe meiner Übersetzerin eine Beratung bezüglich einer geeigneten Zukunftsperspektive zu geben.
Die Patienten waren trotz ihrer teilweise bitteren Armut sehr um Ihr äußeres Erscheinungsbild bemüht. Insbesondere die Kinder waren oft liebevoll gekleidet und hatten teilweise sehr aufwendig, teilweise mit Perlen gestaltete Frisuren. In Anbetracht der schwierigen Lebensumstände, bei denen viele Patienten unter Plastikplanen auf nacktem Erdboden ohne sanitäre Einrichtungen leben müssen, ist das ein wahres Kunststück!
Beeindruckt war ich durch die Hörgeräteversorgung einiger ertaubter Patienten durch meinen äußerst netten Kollegen Dr. Bernd Wolters. Die Patienten mit schweren Hörstörungen wurden mit robusten, für Afrika tauglichen Hörgeräte versorgt, die bereits in Deutschland an die jeweilige Ausprägung der Hörstörung angepasst wurden. Es war schön zu „hören“, wie sehr die Patienten sich über die Fähigkeit Ihrer zurück gewonnenen Hörfähigkeit freuten.
Am dritten Einsatztag stellte mir der afrikanische Kollege, Dr. George, ein schwer erkranktes Neugeborenes vor, welches eine schwerste Bauchkrankheit entwickelt hatte. Hier waren die Möglichkeiten einer ambulanten kinderärztlichen Versorgung überschritten, da unter anderem ein lebensbedrohlicher Flüssigkeitsmangel drohte. Durch die Spenden der Vereinsmitglieder von Cargo Human Care war es möglich, das Baby ins Nazareth Hospital zur stationären Behandlung einzuweisen. Bereits im Vorjahr hatte ich Gelegenheit das Nazareth Hospital zu besuchen und mich von den guten stationären Behandlungsmöglichkeiten von Kindern vor Ort zu überzeugen.
Ganz hervorragend war wieder die Möglichkeit von Laboruntersuchungen im SOS-Medical Center. Bei Bedarf konnten Malaria- und HIV-Tests durchgeführt werden. Auch die Schwestern der kleinen Apotheke waren wieder sehr bemüht, dass alle von uns verordneten Medikamente praxisnah an die Patienten ausgegeben werden konnten. Umgerechnet wurde durchschnittlich ca. 1,50 Euro pro Patient an Medikamentenkosten aufgewendet. Das wäre bei den Medikamentenpreisen in Deutschland undenkbar!
Nach dem Abschied bei unserem afrikanischen Kollegen und Gastgebern ging es an Bord des Frachters zwischen kenianischen Rosen und übriger Fracht „gebettet“, wieder zurück nach Deutschland.
Mein Kollege Bernd Wolters und ich waren beide der Meinung, möglichst bald wieder nach Afrika zurückzukehren, um unseren Beitrag an der „Afrikasprechstunde“ fortzusetzen.
Dr. Volkmar Reschke
Facharzt für Kinderheilkunde – Jugendmedizin