von Dr. Jürgen Bausch
73 kranke Kinder habe ich dieses Mal gesehen, untersucht und versorgt. Darunter Schwerstkranke wie Kinder mit Leukämieverdacht oder schwerer Austrocknung bei Durchfall und Unterernährung oder ein Dreijähriges mit frischer TBC-Pleuritis (Rippenfellentzündung) sowie 4 schwerstbehinderte Kleinkinder.
Leukämieverdacht
Ein Mädchen mit 5 Jahren, mit einer lebensbedrohlichen Anämie, verbunden mit einer extrem angestiegenen Anzahl der weißen Blutkörperchen (HB: 5,19; Erythrozyten 1,68 Mio:, Leukos: 126.000 !;vorwiegend Lymphozyten). Diese Konstellation lässt vor allem eine akute Leukämie vermuten. Die alleinstehende HIV- positive Mutter hatte das Kind bisher keinem Arzt vorgestellt, da das Geld für eine Behandlung fehlte. Das Mädel geht einem sehr ungewissen Schicksal entgegen. Die Heilungschancen im Fall einer Leukämie setzen eine optimale onkologische Versorgung voraus.
Exsiccation (Austrocknung) bei Unterernährung
Die 7 Monate alte Yvonne kam mit ihrer stark abgemagerten 18 jährigen Mutter am Schluss der Sprechstunde gegen 4.00 Uhr. Das Baby war dem Tod näher als dem Leben, extrem unterernährt (nur 4.000 g) und durch einen Brechdurchfall total ausgetrocknet, sodass am dürren, aufgeblähten Bauch die Hautfalten nicht mehr verstrichen sind, die Fontanelle (4×4 cm) war eingefallen und der Hautturgor herabgesetzt. Das Kind war extrem schwach, mit tief liegenden großen Augen, aber wach. Gelegentlich brachte das Baby heisere, schwache Schreie hervor. Ein Zustand also, der mit dem Weiterleben schwer vereinbar ist, wenn das Kind keine Flüssigkeit zugeführt bekommt. Der Mutter war die Situation nicht bewusst. Sie war körperlich heruntergekommen, so dass an Brustfütterung nicht zu denken war. Milch konnte sie sich nicht kaufen, Kleidung und Pflegezustand waren erbärmlich. Ich habe das Baby sofort auf Kosten von CHC ins „Nazareth-Hospital“ eingewiesen und der vollkommen mittellosen Mutter noch das Geld für ein Sammeltaxi zugesteckt. Ob die Mutter es tatsächlich dorthin bringt, können wir nicht beeinflussen. Mit diesem Hilfsangebot hat es in jedem Fall eine gute Chance bekommen, nicht untergehen zu müssen.
TBC-Pleuritis (Rippenfellentzündung)
Ein 4 Jahre altes Mädel wurde mir wegen seit einigen Wochen anhaltenden Hustens vorgestellt. An sich war das Kind nicht krank wirkend, hatte kein Fieber und war in gutem Allgemeinzustand. Aber beim Abhorchen ein auffälliger Befund: Die rechte Lunge war schlechter als die Linke belüftet. In der Perkussion keine sichere Seitendifferenz. Ein Aspirations-verdacht bestand nicht sicher, war aber nicht auszuschließen (Erdnüsse?). Deswegen wurde eine Röntgenaufnahme veranlasst: Das Röntgenbild zeigte rechts einen verdickten Lungenhilus, einige Unterfeldinfiltrate und einen Pleuraerguss rechts basal. Ein Befund, der am ehesten zu einer tuberkulösen Primärinfektion passt. Jetzt erst berichtete die Mutter, dass ein naher Verwandter mit 32 Jahren seit Monaten eine offene TBC habe und in der Familie lebe. Kisha Aking; so heißt das geduldige Kind, das sich problemlos untersuchen ließ, muss in eine Spezial-Ambulanz für TBC, um weitere Diagnosesicherung zu veranlassen. Es hat bei konsequenter Therapie gute Chancen, gesund zu werden, wenn auch erst in 6-9 Monaten. Zur TBC- Behandlung gibt es in Kenia ein kostenloses Staatsprogramm. Das gleiche gilt für HIV-Erkrankungen.
Kinder mit schweren Behinderungen.
Bei unseren pädiatrischen Einsätzen kommen häufig Mütter mit stark behinderten Kindern und stellen sie wegen banaler Infekte vor, die nur der äußere Anlass zum Besuch sind. Denn eigentlich wollen sie von dem weißen Doktor erfahren, wie dieser das Krankheitsbild einschätzt und ob es dagegen eine Hilfe gibt. Diesmal waren es vier schwerstbehinderte Kinder im Alter zwischen 3 ½ + 5 Jahren, die vorgestellt wurden. Diesen Behinderten bleibt -wie überall auf der Welt – das Schicksal, dauernd auf fremde Hilfe angewiesen zu sein. Dies begreiflich zu machen gehört zu den weniger schönen Pflichten unseres Berufes.
Die übrige Sprechstunde
Sie war gefüllt mit Kindern mit Hautproblemen inklusive Mykose (Hautpilz), Krätze und Hauteiterungen. Ein Ergebnis unzulänglicher Waschhygiene, mangels fließendem Wasser in den Slums. Und von zahlreichen Bronchitiden, davon einige „asthmatisch“. Als Ursache dafür kann man neben den viralen Auslösern solcher Infekte den unerträglichen Nairobi-Smog mit Gewissheit verantwortlich machen. (Gemisch von Autoabgasen, offenem Feuer zur Essenzubereitung von Millionen von Menschen und Müllverbrennung auf der Straße)
Getreu der Philosophie von CHC wurde Menschen geholfen, die auf kostenlose medizinische Hilfe angewiesen sind. Dies schien mir in allen Fällen realistisch zu sein. Zusammen mit 15 Kids aus „The Nest“ waren es 88 pädiatrische Fälle in diesen Tagen. Armut und Krankheit begegnen uns dort wie Bruder und Schwester.
Dr. Jürgen Bausch