Interview: Heiner Siegmund für cargoforwarder.eu / 09. Januar 2022
CFG: Fokko, wie ist der Status der verschiedenen humanitären CHC-Projekte in Kenia zu Beginn dieses neuen Jahres? F.D.: Insgesamt sehr zufriedenstellend. Alle unsere Projekte haben sich 2021 trotz der Pandemie und einer langen Phase des faktischen Stillstands im Jahr 2020 während des kenianischen Lockdowns sehr gut entwickelt. Die Kinder sind alle wieder in der Schule, sowohl die aus unserem Mothers‘ Mercy Home als auch die Schüler unserer beiden Schulen. Unsere Studenten in der John Kaheni Residence konnten ihre Berufsausbildung/ihr Studium wieder aufnehmen. Mit anderen Worten: Alle, die von CHC-Fokko Doyen ist ein Mann voller Elan. Kaum hat der ehemalige Flugkapitän von Lufthansa Cargo sein erstes Jahr als Rentner hinter sich, sitzt er doch nicht im Schaukelstuhl, sondern will seine Leidenschaft Cargo Human Care (CHC) auf die nächste Stufe heben. Ehrgeizige Ziele stehen auf der Agenda 2022 der Wohltätigkeitsorganisation, die alle in den nächsten Monaten umgesetzt oder zumindest initialisiert werden sollen. Neben den Aktivitäten in Nairobi wird es im kenianischen Hinterland auch neue CHC-Initiativen geben. Die Lebensbedingungen vieler Kinder und Jugendlicher dort sind besonders prekär.
Im Interview veranschaulicht der Mann, der sich rund um die Uhr der sozialen und karitativen Arbeit widmet, die Pläne des Vereins.
Patenschaften unterstützt werden, sind „wieder auf Kurs“. Und wir haben das Projekt „Wasser für Bubisa“ abgeschlossen, einen kostspieligen und wichtigen Meilenstein für 2021 für CHC. Seit Ende Oktober versorgt die solarbetriebene Entsalzungsanlage 8.000 Menschen in der Nähe von Marsabit im Norden Kenias mit sauberem Trinkwasser. CFG: Apropos 2022: CHC beabsichtigt, mit einer japanischen Organisation zusammenzuarbeiten, die in Nairobi sehr aktiv ist. Was sind die Besonderheiten? F.D.: Das Projekt mit dem Namen „Garden of Siloam“ ist eine Kooperation. Die japanische Ärztin Dr. Kazuko Kamon ist der Initiator dieses Projekts. In einem kleinen, gemieteten Haus am Stadtrand von Nairobi betreuen Dr. Kazuko und ihr Team fast 100 schwerbehinderte Kinder und helfen auch ihren Eltern. Oft handelt es sich dabei um alleinerziehende Mütter, die von der Situation völlig überfordert sind und kaum eine Möglichkeit haben, ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Unser Kinderarzt Dr. Thomas Berger überwies manchmal Kinder aus unserem Medical Centre in den Garden of Siloam, da es die einzige Einrichtung dieser Art in Kenia ist! Leider ist der Bedarf immens, da die Versorgung bei der Geburt in lokalen Krankenhäusern oft unzureichend ist. Ganz zu schweigen von den vielen Hausgeburten ohne medizinische Hilfe, oft mit schlimmen Folgen. Aus diesem Grund hat CHC beschlossen, das geplante neue Gebäude von Dr. Kazuko, das Platz für 200 Kinder und Jugendliche bietet finanziell kräftig zu unterstützen. Auch konnten wir durch unsere bisherigen guten Erfahrungen mit Architekt Bulli und einem zuverlässigen Bauunternehmer logistisch unterstützen. Der Grundstein für diese dringend benötigte Einrichtung wird in diesem Jahr gelegt. CFG: Sie planen auch, das Happy Child Education Centre zu vergrößern. Warum ist dieses Projekt dringend, wann wird es gebaut und von welchen Dimensionen sprechen wir? F.D.: Wir haben Anfang 2019 das Happy Child Education Centre eröffnet, um zwei Vorschulklassen und die Klassen eins bis vier der Grundschule unterzubringen. Der Plan war, die Kinder nach Abschluss der vierten Klasse auf eine andere Schule zu bringen. Jetzt wird Kenias Schulsystem auf ein sechsjähriges Grund- und sechsjähriges Sekundarschulsystem (früher 8 bzw. 4 Jahre) umgestellt. Wir haben den verständlichen Wunsch der Schulleiterin Tabitha Njuguna diskutiert, nun auch die Klassen fünf und sechs in das Happy Child Education Centre aufzunehmen und haben beschlossen, die erforderlichen Mittel zur Verfügung zu stellen. Tabitha leistet hervorragende Arbeit bei der Leitung dieser Schule, die sich mitten in einem Slumgebiet befindet. Wir wollen das Projekt sowohl zu ihrem Nutzen als auch zu dem der Kinder weiter unterstützen und fördern. Das Schulgelände ist recht klein, daher werden wir ein zweistöckiges Gebäude auf einer Grundfläche von 6 mal 8 Metern errichten. Der Bauantrag wurde eingereicht, das Angebot ist eingegangen und wir sind bereit, das Projekt zu starten! Dank seiner Leichtbauweise öffnet der Neubau seine Pforten, wenn im Mai dieses Jahres das neue Schuljahr beginnt. CFG: Ein neues Internat für die Kinder der vom CHC initiierten Wings Academy soll in Marsabit, in der nordöstlichen Trockenzone Kenias, gebaut werden. Was ist die Dringlichkeit und verzettelt sich CHC nicht, wenn Projekte angestoßen werden, die in Kenias Hinterland liegen? Wäre es nicht sinnvoller, sich auf Hilfseinrichtungen im Großraum Nairobi zu konzentrieren? F.D.: Ich beginne mit dem „Sich verzetteln“: Nein, wir verzetteln uns nicht. Tatsächlich stellen wir uns bewusst breit auf, sowohl räumlich als auch in beiden Bereichen: Medizin und der Bildung.
Unsere Grundsätze: hoher Fokus auf den effektiven Einsatz von Spenden, enge Betreuung und Steuerung bestehender Projekte und keine große Abhängigkeit von einem unserer lokalen Partner.
Die Vernetzung vor Ort ist wichtig, daher unsere Zusammenarbeit mit mehreren lokalen Partnern:
Dazu gehören die Bischöfe der Anglikanischen Kirche in Nairobi und in Marsabit, Doktor Kazuko Kamon, und eine Schule in der Massai Mara, wo wir unsere neue Ambulanz betreiben. Wir haben aber auch die John Kaheni Residence, die wir völlig unabhängig betreiben, also ohne die Unterstützung einer lokalen Institution.
Seit 2012 haben wir die Wings Academy sukzessive zu einer vollwertigen Grundschule plus Vorschule ausgebaut. Diese Schule wird sehr gut geführt und ist die einzige Bildungseinrichtung in diesem sehr armen und von der Regierung vernachlässigten Gebiet im Norden Kenias. Warum jetzt ein Boarding House mag man sich fragen: die Kinder müssen lange Strecken laufen, auf denen viele Gefahren lauern. Auf der einen Seite gibt es wilde Tiere wie Elefanten und Hyänen, aber ein noch größeres Risiko für die Kinder sind die Rivalitäten und Kämpfe zwischen verschiedenen Stämmen. Mädchen werden oft vergewaltigt, und kürzlich wurden in der Gegend von Marsabit sogar drei Kinder auf dem Weg zur Schule getötet. Ein weiterer Grund für unser Engagement ist, dass die Kinder oft völlig abgemagert und halb verhungert in die Schule kommen. Deshalb haben wir hier auch gerade eine neue Küche bauen lassen. CFG: Bereits im Mai dieses Jahres wird ein neues Patenschafts-Modell eingeführt, das den Kindern der Wings Academy zugutekommt, die weiterführende Schule besuchen, um ein höheres Bildungsniveau zu erreichen. Wie ist der Status dieses konkreten Projekts? F.D.: Die ersten Schüler werden nun die Grundschule mit der achten Klasse abschließen. Das heißt, das alte kenianische Schulsystem gilt immer noch für die Wings Academy. Wir waren im August 2021 vor Ort und konnten uns davon überzeugen, dass viele dieser Schüler sehr ehrgeizig sind und sehr gute Schulzeugnisse mit nach Hause bringen. Es wäre eine Schande, diesen Jugendlichen nicht die Möglichkeit zu geben, eine weiterführende Schule zu besuchen und vielleicht auch anschließend auch in unsere John Kaheni Residence zur Berufsausbildung oder zum Studium aufgenommen zu werden. Deshalb wollen wir diese Kinder durch Patenschaften unterstützen und auf ein Secondary Boarding School schicken. Dafür brauchen wir Paten, die bereit sind, ein Kind mit einer Spende von 50 € pro Monat zu unterstützen. Aktuell sind wir noch auf der Suche nach Paten.
Übrigens, Mädchen, die in einem Internat geschützt sind, sind für den traditionellen „Heiratsmarkt“ erst einmal nicht verfügbar. Dies ist ein wichtiger Punkt, denn sobald sie 14 Jahre alt sind, können Mädchen in dieser kenianischen Region gegen ihren Willen verheiratet werden. CFG: Rückblick: Während der Pandemie mussten Einrichtungen vorübergehend schließen und die Pflegekinder des CHC mussten notdürftig an anderer Stelle untergebracht werden. Eine echte Herausforderung, da die meisten von ihnen Waisenkinder sind. Hatte diese Störung spürbare Auswirkungen auf die Jugendlichen und damit auf die Aktivitäten von CHC? F.D.: Ja, es besteht kein Zweifel, dass die angeordnete Ausquartierung der Kinder für alle Beteiligten alles andere als einfach war. Die Kinder und Jugendlichen in unseren Heimen kommen aus bitterarmen Verhältnissen, fast alle haben ihre Eltern verloren. Die plötzliche Anordnung, die Kinder umzusiedeln, stieß bei ihren Angehörigen nicht auf große Begeisterung. Wer bereits von der Hand in den Mund lebte – also von Gelegenheitsjobs, die es in der Krise plötzlich nicht mehr gab – freute sich nicht über ein weiteres hungriges Kind in der Familie. Das war auch der Grund für uns, im März 2020 unser Projekt „Familienhilfe“ zu starten und zu Spenden für Lebensmittel aufzurufen: 60 Euro können eine 5-köpfige Familie einen ganzen Monat lang ernähren. Die Spendensumme war enorm, und erst jetzt geht das Programm nach fast zwei Jahren langsam zu Ende. Auf dem Höhepunkt versorgten wir 250 Familien mit den notwendigsten Lebensmitteln.
Allerdings wurden in dieser Zeit nicht alle Kinder gut betreut – einige der Familien waren einfach überfordert. Es gab sogar Misshandlungen, und zum Leidwesen von uns und den beteiligten Mädchen: zwei unserer Mädchen wurden in dieser Zeit schwanger. Auch um diese beiden Mädchen und ihre mittlerweile geborenen Kinder kümmern wir uns. Ende 2020 kamen dann alle Kinder zurück ins Heim, aber wir mussten schon vorher etliche schlecht versorgte Kinder zurückholen lassen. Es gibt tragische Geschichten, die ich erzählen könnte. CFG: Zur Zukunft: Wie soll die Bilanz von Cargo Human Care am 31. Dezember 2022 aussehen? F.D.: Hier sind unsere Aufzählungspunkte, die bis dahin erreicht sein sollten:
▪ Happy Child Education Centre als vollwertige Primary School etabliert.
▪ Wings Academy bietet Platz im Boardinghouse für x Kinder (das x wird in den kommenden Wochen konkret festgelegt)
▪ Neues Patenschafts-Modell für Schüler der Wings Academy etabliert
▪ Das Wasserprojekt Bubisa läuft autark – d.h. die Einnahmen aus dem Wasserverkauf reichen aus, um die Anlage zu betreiben.
Und natürlich: Alle Projekte funktionieren weiterhin auf hohem Niveau – dafür werde ich mit anderen CHC-Freiwilligen durch regelmäßige Besuche und engen Kontakt zu unseren Mitarbeitern in Kenia sorgen. Auch als Rentner kann man Projekte vorantreiben. Cargo Human Care ist keine Frage des Alters! CFG: Fokko, vielen Dank, dass du deine Ansichten und Ambitionen teilst.
Wir wünschen Ihnen viel Glück und Erfolg für alle Ihre kenianischen CHC-Projekte
Den Original-Artikel finden Sie hier:
Cargo Forwarder Global
2 comments
Liebe Frau Salzmann,
danke für Ihr Angebot, uns aktiv durch Mitarbeit zu unterstützen.
Frauen-Power mit Organisationstalent? Herzlich willkommen bei CHC!
Schicken Sie mir bitte einfach eine Email, dann schicke ich Ihnen weitere Infos. Wir haben einen kleinen Fragebogen für Interessenten – den leite ich Ihnen dann auch gerne weiter. Ganz sicher gibt es bei uns ein kleine oder große Aufgabe für Sie.
Mit besten Grüßen. Fokko Doyen
Fokko.Doyen@cargohumancare.de
Hallo Herr Fokko Doyen,
Ich hatte Glück und ihren Artikel im TV am Sonntag Mittendrin All Stars gesehen. Es spricht mich sehr an in welcher Art und Weise Sie und ihre Frau und andere ihre Freie Zeit ausfüllen. Ich bin w. 56 Jahre alt und habe durch die Geburt einer geistig Behinderten Tochter mein Leben mir anderen Abenteuern ausgefüllt.
Ich möchte anfragen, ohne dabei an Geld zudenken, wie ich mit meiner „Frauen Power“ mit meinem Organisations Talent mich einbringen könnte.
Ich liebe das Leben und würde gern etwas weitergeben bevor ich das nicht mehr tun kann. Meinen Sie ich kann Sie unterstützen beim Projekt ?
Ich freu mich von Ihnen zu lesen.
Herzlichst Petra Salzmann – Deutschland Kassel, Hessen verbindet-
Danke an Alle eine wundervolle Idee