In der Nacht zum 28. April 2005 brachen Dr. Helga Schaffner, Assistentin Tanja Schwarz und ich in Frankfurt Kelsterbach auf, um für 3 Tage im Medical Centre des SOS Kinderdorfes in Nairobi zu arbeiten.
Wie schon im November 2004 gelang die Mitnahme sämtlicher Instrumente und medizinischer Ausrüstung nach Kenia mit Hilfe von Cpt. Doyen relativ problemlos.
Direkt nach der Ankunft in Nairobi transportierten die Crewbusse uns samt all unserem Gepäck zunächst zum Safari Park Hotel, von wo aus der Weitertransport zum Medical Centre von Henry, dem Taxifahrer, übernommen wurde. Um 13.00 trafen wir mit der ersten Ladung Ausrüstung im SOS Centre ein, es dauerte dann etwa 45 min bis wir unser Behandlungszimmer eingerichtet hatten und mit der Behandlung anfangen konnten.
Diesmal bestand unsere zahnmedizinische Ausrüstung nicht nur aus Spritzen, Scalern und Küretten zum Reinigen – und Hebeln und Zangen zum Extrahieren von Zähnen, sondern auch aus einem kleinen Bohrer (von Dr. Lutz Brähler aus Mainz freundlich zur Verfügung gestellt), der uns erlaubte, zumindest einige Füllungen zu legen.
Wie schon beim letzten Mal hatten wir Unmengen von Handschuhen, Gesichtsmasken, Abdecktüchern, Watterollen, Mulltupfern, Antibiotika (dank Unterstützung durch die Firma Cavex), Analgetika, Desinfektionsmitteln für Instrumente, Hände und Flächen dabei.
Die Universitätsklinik Mainz unterstützte uns dank Prof. Dr. Wagner und Dr. Gundi mit Infektionsschutz-Artikeln und einigen chirurgischen Instrumenten. Da die HIV Infektion in Nairobi einen seuchenähnlichen Charakter hat, waren wir dafür sehr dankbar. Zudem hatten wir einige Füllungsmaterialien (dank der Firma Heraeus Kulzer) und dazugehöriges multiples Zubehör dabei, sogar an Einmalhandtücher und Spülbecher haben wir dieses Mal gedacht. Die Landeszahnärztekammer Rheinland Pfalz unterstützte uns (dank Dr. Michael Rumpf) schon im Vorfeld mit der Zuordnung eines Geld-Fonds, mit dessen Einsatz wir uns vor Antritt der Reise mit wichtigen fehlenden Instrumenten versorgen konnten.
Weiterhin spendete uns das Dental Depot Huber in Karlsruhe (Pluradent) über Herrn Nagel eine große Anzahl von Scalern und Küretten für die Zahnreinigung und Parodontalbehandlung. Außerdem hatten wir von der Jugendzahnpflege Rheinland Pfalz 100 Putzbecher mit Zahnbürste und Zahnpaste dabei, von einigen Kindergärten eine sehr große Anzahl an Kuscheltieren und verschiedene andere Geschenk-Beigaben.
Am ersten Tag behandelten wir bis etwa 18.30; nach wie vor lag der Behandlungs-Schwerpunkt auf dem Entfernen von Zähnen, da die Zerstörung derselben schon zu weit fortgeschritten war, um sie noch mit einer Füllung zu versorgen. Wir machten erste Erfahrungen mit dem Bohrgerät – in Ermangelung von Druckluft und Wasserkühlung mußten wir mittels 20-ml-Spritzen manuell kühlen und mit Hilfe einer kleinen Gummi-Pumpe die Kavitäten einigermaßen trocken “pusten”. Da die Assistentin zudem gleichzeitig den (nur sehr schwach funktionierenden) Sauger, einen Spatel zum Abhalten und eine Taschenlampe halten muß, benötigt man zum Legen einer Füllung mindestens 3 Personen!
Am Abend dieses ersten Tages konnten wir zusammen mit Cpt. Fokko Doyen und FO Jürgen Friese im Hotel zu Abend essen; am folgenden Tag mußten die beiden nach Johannesburg und zurück fliegen und trafen entsprechend erst spät wieder im Hotel ein.
Freitag war unser längster Arbeitstag, wir begannen um 8.00 und behandelten mit Ausnahme einer 20-minütigen Pause bis 18.30 durchgehend. Auch dieses Mal wurden wir mehrfach durch Stromausfälle unterschiedlicher Länge behindert, allerdings hat uns die Tatsache, daß wir wesentlich mehr Instrumente als noch im November dabei hatten, sehr geholfen. Bei Stromausfall konnten wir eben nur extrahieren oder reinigen – um Füllungen zu legen benötigten wir allerdings Strom. Eine Patientin erhielt nur in mehreren Etappen ihre Füllung – immer wenn das Licht wieder anging, sprintete sie auf die Liege, um mit der Behandlung fortzufahren…
Die Regelung, daß Dr. Schaffner eine Voruntersuchung der Patienten vornahm, ihnen gegebenenfalls schon die lokale Betäubung injizierte und “untaugliches” Klientel aussonderte, hat uns sehr viel Zeit erspart und die Durchlaufzeiten extrem verringert. Als “untauglich” mußte zum Beispiel die Anfrage vieler Patienten nach dem Ersatz von fehlenden Zähnen oder nach einer kieferorthopädischen Korrektur eingestuft werden.
Bei der Behandlung von Kindern haben uns die Stofftiere große Dienste bei der Angstbekämpfung geleistet – dank diesem Trick und Mike’s unermüdlichem Übersetzen gelang die Behandlung größtenteils recht streßarm.
In der Mittagspause konnten wir erstmals das eigentliche Kinderdorf besuchen, eine “Mutter” empfing uns und zeigte uns die Zimmer ihres Hauses. Die Kinder wohnen immer zu zehnt in einem Haus, üblich ist es, daß 3 oder 4 Kinder in einem Raum schlafen. Die Häuser haben ihre eigene Küche, ein Badezimmer und einen Wohn- / Eßbereich. Die Gebäude stammen aus den 80er Jahren, aufgrund undichter Dächer sind sie größtenteils recht feucht und müssen renoviert werden. Die Erneuerungsarbeiten haben bereits an 2 Häusern begonnen, alle anderen folgen je nach finanziellen Möglichkeiten.
Es gibt noch ein Kinderheim, das von den Piloten der Lufthansa Cargo “mitbetreut” wird, das “Mother’s Merci Home”. Im Gegensatz zum international geführten SOS-Dorf ist dieses eine kenianisches katholisch geleitetes Heim, welches über deutlich weniger Mittel verfügt. Die Kinder dort wohnen in einer größeren Wellblech-Hütte, die Schlafräume bestehen aus ca 12 zusammengeschobenen Etagen-Liegen, der Schulraum wird sowohl für den Unterricht als auch für die Mahlzeiten genutzt. Wasser bezieht dieses Heim aus einem 50 Meter tiefen Brunnen, die Qualität wie auch die Quantität desselben ist schlecht. Diesen Kindern fehlt es im Gegensatz zu den doch recht vernünftig versorgten SOS Kindern an buchstäblich allem, an Kleidung und Schuhwerk – ganz zu schweigen von “Luxus-Artikeln” wie zum Beispiel Spielsachen.
Am Samstag Morgen hatten wir die Möglichkeit, mit Benson, dem Fahrer, eine kleine Safari-Tour durch den Nairobi National Park zu machen. Allerdings konnten wir im Gegensatz zu November außer einer Eule keine Tiere sehen – zudem war der Boden durch die extrem starken Regenfälle des Tages und der Nacht davor so aufgeweicht, daß wir mehrfach mit dem Bus hängen blieben. Endlich mußten wir uns sogar selbst wieder aus dem Schlamm schieben! (Zu diesem Zeitpunkt waren wir für die mangelnde Fauna ganz dankbar, muß ich gestehen…)
Um 9.00 nahmen wir unsere Arbeit im Medical Centre wieder auf – am späteren Morgen kam Cpt. Doyen dazu, um Organisatorisches mit Mike und Pamela zu besprechen. In unserer Mittagspause gelang es uns, einige Kinder des SOS Dorfes zu versammeln, um ein gemeinsames Bild aufzunehmen – die Kinder der Kindergärten, die uns all die Kuscheltiere gespendet haben freuen sich sicher über ein solches Feedback!
Wir behandelten an diesem Tag noch bis 17.30, danach nutzten wir weitere 2 Stunden, um aufzuräumen, Dinge, die in Nairobi bleiben können ordentlich in Kisten und Taschen zu verstauen, und eine detaillierte Inventur vorzunehmen. Wir haben jedes einzelne Instrument notiert, damit jeder beteiligte Zahnarzt weiß, was zur Zeit vor Ort vorhanden ist, und entsprechend weniger Gepäck mit auf den Weg nehmen muß.
Insgesamt konnten wir in der sehr kurzen Zeit doch 108 Patienten behandeln, wir haben 90 Extraktionen vorgenommen, konnten 23 Füllungen legen und 15 Reinigungen machen.
Der Weg zum Hotel an diesem Samstagabend entpuppte sich noch als finales Abenteuer, denn zu dieser Zeit machen sich offensichtlich sämtliche Einwohner Nairobis auf, einen feucht-fröhlichen Abend zu verbringen und verstopfen so auf schier unglaubliche Weise sämtliche Straßen. Für 50 Meter benötigten wir eine halbe Stunde, wir haben uns sogar schon mit dem Gedanken angefreundet, daß Cpt. Doyen für uns im Hotel auschecken muß und wir uns eben erst im Flugzeug umziehen können. Denn Abholzeit am Hotel war 21.45 und es wurde durchaus knapp. Zum Glück hat die Zeit dann doch gerade so eben gereicht und wir konnten auf geplantem Weg zum Flughafen gelangen.
Es war wieder eine unglaublich dicht gepackte Zeit – die Tage sind so kurz und an Arbeit wäre so viel zu tun… Es mag für die Armen der Slums ein großes Geschenk sein, daß wir uns bereit erklären, zu helfen soweit es eben möglich ist; es ist aber für uns ein ein mindestens ebenso großes Geschenk, all diese Erfahrungen zu machen, Eindrücke zu sammeln und zu sehen, wie sich die Menschen über unseren Einsatz freuen.